Klettern in Australien
Anfangsschwierigkeiten – Grampians und Mt. Ben Cairn
Auch wenn die Chancen schlecht stehen in dem seit dem 19. Jahrhundert besiedelten Australien 300 Jahre alte Silbermuenzen zu bergen, wollten wir trotzdem die hiesigen Felswelten erkunden.
Unsere erste Station führte uns in den 300 Kilometer westlich von Melbourne gelegenen Ort „Halls-Gap“ im Grampians Nationalpark. Die Grampians sind ein ca. 1000 Meter hoher Gebirgszug, der imposant aus der ansonst platten Landschaft heraussticht. Auf Empfehlung der örtlichen Kletter-Guides steuerten wir zu Beginn den „Watchtower“ an. Auf den ersten Blick ein guter massiver Sandfels. Auf den zweiten und dritten Blick wurde jedoch klar, dass wir uns da ganz schön was vorgenommen hatten. Die Sportkletterrouten fingen alle in den, für uns, oberen Skalen an und die traditionellen Routen waren ohne Keile und Friends nicht abzusichern. Da wir über keinerlei Absicherungsmaterial aus Metall verfügten, probierten wir uns an den Sportkletterrouten aus.
Ohne Kletterführer konnten wir die Schwierigkeitsskalen nur mit Augenmaß abschätzen. Dabei verschätzten wir uns das ein oder andere Mal, so dass wir öfter als gewollt umkehren mussten. Die Routen, die gelangen waren jedoch allesamt Sternchen-Wege. Am nächsten Tag schauten wir uns im Bergladen den Kletterführer an und sahen, dass in unserem Teil der Grampians ausschliesslich derartige Felsgebiete zu finden waren. Das Kletterzentrum der Grampians ist im Norden des Nationalparkes gelegen. Da uns „Halls-Gap“ aber ansonsten sehr gut gefiel und wir keine Lust hatten weiter zu reisen, blieben wir und versuchten uns noch
an den „Great Walls of China“. Auch hier das selbe Bild: Die Routen, die machbar waren, waren wunderbar zu klettern, aber leider von überschaubarer Anzahl. Trotzdem sind uns die Grampians in guter Erinnerung geblieben, nicht zuletzt wegen den zahlreichen Wanderungen auf einsame Berggipfel, entlang erfrischender Wasserfaelle und durch spektakulaere Felsschluchten.
Auf die zweite Kletterstation stießen wir eher zufällig. Wir waren zum Arbeiten ins „Yarra Valley“ gefahren und erkundeten in unserer Freizeit die dortigen Berge. Auf einer Wanderkarte wurde der „Mount Ben Cairn“ als berühmtes Klettergebiet angepriessen. Die Berühmtheit dürfte jedoch eher von lokaler Natur sein. An der ca. 15 Meter hohen Granit-Klippe fanden wir eine kleine Ansammlung von Sportkletterrouten, allesamt ausschließlich Reibungswege. Wir suchten uns den scheibar leichtesten Weg aus und scheiterten grandios. Trotz selbstgebauter Klipp-Exe und zweistündigem Anklettern kamen wir nicht über die Hälfte der Route hinaus.
Es wird besser – Nowra
Eigentlich war geplant eine Woche am Meer zu verbringen und uns an die Strände der Ostküste von New-South-Wales zu legen. Nach drei Tagen wurde das jedoch langweilig. Ein Blick in unsere Kletter-App verriet uns, dass nur 50 km weiter südlich ein national bekanntes Klettergebiet namens „Nowra“ liegt. Also packten wir unsere sieben Sachen und zogen los. „Nowra“ ist eigentlich eine Industriestadt, die aus mehreren kleineren Ortschaften zusammengewürfelt wurde. Durch die Stadt fliesst ein Fluss, der sich im Laufe der Jahrtausende durch den Sandstein-Untergrund gefräst hat und so zahlreiche bis zu 40 Meter hohe Felswände hinterließ. Die besten dieser Felswände findet man am „Thompsons Point“. Diesmal wollten wir besser vorbereitet sein, weshalb wir aus dem Internet mehrere Topos abfotografierten.
Und tatsaechlich klappte es diesmal besser und wir verbrachten zwei gute Klettertage am „Thompsons Point“. Auch wenn die Sportkletterei vorherrschend ist, fanden wir auch einige schöne traditionelle Routen, die sich mit Schlingen absichern ließen. Einziges Manko war, dass die Wege auf den Topos deutlich unterbewertet waren, so dass des öfteren Selbstzweifel aufkamen, wenn scheinbar leichte Routen zu Problemen wurden.
Leider war die Übernachtungssituation in „Nowra“ nicht die beste. Der Free-Campground war mitten in der Stadt gelegen und man teilte ihn sich mit mehreren Obdachlosen. Und da sich ein Teil unserer Gruppe weigerte, das Boofen in Australien wieder aufleben zu lassen, zogen wir nach ein paar Tagen weiter.
Endlich – Blue Mountains
Schon vor Antritt unserer Reise war klar, dass die Blue Mountains zum Pflichtprogramm gehören. Der nur anderthalb Stunden westlich von Sydney gelegene Nationalpark umfasst eine Fläche von der Hälfte Sachsens und stellt das bedeutenste Klettergebiet Australiens dar. Wir steuerten zielstrebig „Blackheath“ an, ein Ort der von anderen deutschsprachigen Kletter-Webseiten als „unumstrittenes Kletterzentrum des Landes“ bezeichnet wird. Der erste Eindruck war jedoch enttäuschend: Eine Autobahn führt direkt durch den Ort und der Free-Campground war überfüllt von deutschen Kiddies, die die Blue Mountains mit Loret de Mar verwechselten.
Am nächsten Tag sah die Welt jedoch schon besser aus. Im örtlichen Kletterladen erstanden wir, mit „Elbsandstone-Discount“, einen Kletterführer sowie einen Satz Klemmkeile. Und gleich unser erster Kletterausflug führte uns an die „Grey-Slab“, eine Felswand an der scheinbar alles gelingt und an der wir Routen schafften, die sonst oberhalb unseres Könnens liegen. Unser neuer Führer zeigte uns auch einen anderen Free-Campground im Nachbarort Mt. York, sodass wir der Abi-Abschlussfahrt-Stimmung entkommen konnten. Unser neuer Zeltplatz war umgeben von zahlreichen weiteren Kletterfelsen, weshalb er ausschließlich von Kletterern besiedelt wurde. Hier verbachten wir auch Silvester und konnten ohne Probleme innerhalb von 24 Stunden Jahresab- und Anklettern. Schnell ging die erste Woche vorüber. Da wir in dieser Zeit von den Blue Mountains nicht viel mehr gesehen hatten, als den Fels vor der Nase, wollten wir noch eine mehrtägige Wanderung ins Innere des Nationalparks unternehmen. Steffen, ein sächsischer Bergsteiger, der seit 20 Jahren in Australien lebt, stellte uns eine gute Route zusammen. Also Zelt in den Rucksack gepackt und los ging es. Nun sahen wir die eigentliche Schönheit der blauen Berge. Riesige bewachsene Felsschluchten mit teilweise 150 Meter langen Wasserfällen.
Das Wetter in den Blue Mountains war stets sehr wechselhaft. Es schwankte zwischen Temperaturen über 40 Grad, bei denen die Sohlen der Kletterschuhe brannten, sobald man den Fels berührte und Tagen, an denen es durchgehend bewölkt und regnerisch war.
Die Nähe zu Sydney lässt die Blue Mountains oft sehr voll werden. Aber wenn man das Auto nur lange genug über Schlagloch-Schotterpisten schickt, findet man auch Gebiete, in denen man alleine klettern kann. In den Blue Mountains konnten wir auch ein Rätsel lösen, dass uns seit den Grampians beschäftigte: Oft sieht man an australischen Sportkletterfelsen Schrauben ohne Ringe an der Wand. Um sich an diesen sogenannten „Carrot Bolts“ zu sichern, benötigt man noch Ringplatten, die man über die Schrauben hängt – ein eigenartige Sicherungspraxis.
Allein im Cocoparra
Der Cocoparra Nationalpark ist ein kleiner relativ unbedeutender Nationalpark im Landesinneren von „New-South-Wales“. Wenn man in der Region unterwegs ist, fällt er jedoch ins Auge. Er stellt die einzige Erhebung der Umgebung dar. Ich war zufällig in der Nähe zum Arbeiten, und im Anschluss plante ich dort einige Tage zu verbringen. Da Rike noch in Neuseeland verweilte, fuhr ich alleine los. über eine Strasse, die in Deutschland niemand ohne Geländewagen fahren würde, kam ich ins Innere des Cocoparra und war positiv überrascht: Eine schöne Sandstein-Kette grüsste vom Gipfel der Hügel hinab. Am nächsten Tag packte ich das Kletterzeug in den Rucksack und fand nach einigem Suchen auch Felsen, die man beklettern konnte. Es gab zwar keine Haken, Abseilösen oder sonstiges. Normalerweise klettert hier keiner – Normalerweise ist hier keiner. In den vier Tagen, die ich im Cocoparra war, habe ich keinen einzigen Menschen gesehen. Die Selbstsicherung, bestehend aus Gigri und einem am Baum fixierten Seilende gab mir zumindest psychologische Unterstützung. Aber natürlich kletterte ich keine spektakulaeren Routen: Hauptsächlich Kamine, nicht sehr hoch und in den untersten Schwierigkeitsgraden. Aber trotzdem hatte ich verdammt viel Spass in diesen Tagen. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir ein Weg, den ich Falkenklo taufte: Ein enger etwa 15 Meter langer Kamin, der im Ausstiegsbereich deutliche Spuren der vergangenen Falken-Brutzeit aufweisst.
Rike und Leo